Treten wir den „digitalen Königen“ mutig entgegen!
Nachlese zu Heinz Wassermanns Vermessung der österreichischen Medienlandschaft
Die Anzahl der Printmedien sinkt, ebenso das „Nachrichteninteresse“. Auf Basis fundierter Daten kam Historiker und Kommunikationsexperte Heinz Wassermann bei seinem Vortrag zu „Medien als vierte Gewalt – wie lange noch?“ im Kleinen Minoritensaal zu diesem kritischen Befund.
Zuvor hatte Florian Traussnig mit den Worten von Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung, eingeleitet, dass etwa die – von Wassermann kritisch analysierte – Corona-Pandemie „eine Zumutung für die Medien“ gewesen sei. Eine Zumutung für die mittlerweile stark bedrängte vermeintliche „vierte Gewalt“ im Staate und die demokratisch gesinnten Kräfte im Land, die durch die jüngste Wiederwahl des gegenüber klassischen Medien und „fact checks“ feindlich eingestellten Donald Trump global gesehen noch an gesellschaftspolitischer und erkenntnistheoretischer Brisanz gewonnen hat.
Unter dem Motto „Im Netz nichts Neues“ skizzierte der Kommunikationswissenschaftler in Folge den kontinuierlichen Kultur- und Medienwandel weg von Gedrucktem und Linearem hin zu Digitalem und zur Social-Media-Fragmentierung. Dieser lasse sich etwa an den kontinuierlich sinkenden Reichweiten der gedruckten Tageszeitungen ablesen. So weist Österreich heute demnach nur mehr 12 gedruckte Tageszeitungen auf, während etwa in Norwegen rund 100 Print-Tageszeitungen existieren.
Da Medien nicht nur wirtschaftliche Akteure (die von uns als Userinnen und Kunden freiwillig generierte Wertschöpfung auf den sozialen Netzwerken fließe etwa fast gänzlich zu den Konzernen in Übersee ab, so der Historiker) sind, sondern eine gesellschaftlich wichtige „Informations- und Artikulations-, Meinungsbildungs-, Kritik- und Kontroll- und Sozialisationsfunktion“ inne haben, bringe die neue Medienrealität ein Bündel von Problemen und Herausforderungen mit sich, so Wassermann. So hätten sich die totalen „Nachrichtenverweigerer“ allein zwischen 2016 und 2022 verdreifacht und das generelle Vertrauen in die Nachrichtenquellen sei ebenfalls gesunken. Neben dem Schaden, den die laut nicht wirklich „kuratierten“ sozialen Medien in Bezug auf unseren Umgang mit Fakten und unsere Erkenntnisgewinnung ausübten, zeige sich laut dem Vortragenden auch: „Den digitalen Königen sind Diskurs und Demokratie egal.“
Wassermann arbeitete in seinen daten- und quellengesättigten Ausführungen allerdings auch heraus, dass trotz des Schrumpfens von (Qualitäts-)Printmedien und linearen (TV-)Angeboten in Österreich, der Marktanteil von „klassischen“ gedruckten Medien und TV- und Radioformaten hierzulande im internationalen Vergleich noch hoch ist und der ORF als öffentlich-rechtlich Mediendienstleister eine Sonderstellung innehat – mit allen Vor- und Nachteilen.
Das engagierte Publikum suchte nach realistischen und mutigen Wegen, um den Medienwandel zu bewältigen oder demokratiezersetzenden Verschwörungstheorien im persönlichen Umfeld selbstbewusst entgegenzutreten. Ein regionalpolitisch aktiver Zuhörer meinte etwa, dass „die Jungen“ am Land fast nur über soziale Medien erreichbar wären und Podcasts ein gutes Medium hierfür seien. Im Namen des verhinderten Heinz Finster vom Kooperationspartner Sonntagsblatt für Steiermark appellierte Moderator Florian Traussnig am Ende auch daran, „das Licht nicht unter den Scheffel zu stellen“ und die (digitalen) Medien kämpferisch fürs Gute zu nutzen. Dazu passt zudem das vom Vortragenden ausgewählte Zitat von Catherin Anne Hiller von der funke mediengruppe:„Das Einzige, wovor Verlage wirklich gerettet werden müssen, ist die allgegenwärtige Lust am Untergangs-Narrativ.“
Florian Traussnig
Diese Veranstaltung ist gefördert aus Mitteln der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB), Dank an das Sonntagsblatt für Steiermark für die feine Kooperation!