Kämpferisch und verletzlich – Eric Frey und Barbara Ladenburger zur Krise des politischen Vertrauens
„Die Politik war früher nicht sauberer; die Medien haben sicher nicht fairer berichtet; die Kirche war früher auch nicht besser – im Gegenteil“ – mit diesen Ansagen ließ Standard-Journalist und Politologe Eric Frey, auf Einladung des Bildungsforums Mariatrost, jüngst im Grazer Barocksaal aufhorchen. Mit der aus Berlin zugeschalteten Theologin Barbara Ladenburger und Moderator Florian Traussnig diskutierte er über den empirisch belegbaren und gefühlten Vertrauensverlust, der „klassischen“ Parteien, Medien und Kirche(n) derzeit entgegenschlägt und Populisten sowie Verschwörungserzählungen Auftrieb gibt – so ist laut Umfragen im Land das Vertrauen in das Funktionieren der Demokratie spätestens seit der Corona-Pandemie massiv zurückgegangen. Im Rahmen des von der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung geförderten Veranstaltungsabends ortete Frey in diesem globalen und zunehmend demokratiegefährdenden Misstrauen zunächst eine begrüßenswerte geistige Emanzipation der Menschen, die – anders als noch im 20. Jahrhundert – einer Partei oder einem Priester nicht mehr blind folgen würden: „Der Vertrauensverlust ist auch ein Zeichen einer aufgeklärten, kritischen Gesellschaft“.
Abstrakte Argumente ziehen nicht
Die lautstarke Gruppe jener Misstrauischen, die durch (Internet-)Desinformation und Verschwörungsnarrative den antidemokratischen Kräften zuarbeiten würden, bereite ihm jedoch Sorgen; zudem sei Demokratie als Konzept für die jüngere Generation „irgendwie altmodisch geworden“. Demokratiebejahende Institutionen und Qualitätsmedien sollten daher näher an der Lebensrealität und weniger „abstrakt“ argumentieren und „kämpferischer werden – nicht gegenüber den Menschen, die andere Meinungen haben“, sondern „gegenüber den Demagogen“ und „Zerstörern“ sowie deren Ideologien und politischen Apparaten. Frey knüpfte hier an die Eröffnungsworte von Andreas Gjecaj, des Generalsekretärs der Katholischen Aktion Steiermark, an, der die gesellschaftlichen und politischen Klüfte einerseits anerkennen, andererseits trotz aller Differenzen menschlich überbrücken will.
Glaube stärkt Grundvertrauen
Barbara Ladenburger vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken zitierte u.a. Studien zum niedrigen Zukunftsvertrauen junger Menschen und relativierte sogleich: „Demokratie kann mit einem gewissen Misstrauen umgehen“, allerdings drohe das grundsätzliche Vertrauen in tragende Institutionen und Verfahren der Demokratie heute verloren zu gehen. Hier könne christlicher Glaube „demokratiefördernd wirken“, indem er (politische) Emotionen kanalisiere und eine positive Perspektive aufs Leben biete. Seelisch sei etwa die von vielen „nicht akzeptierte“ Corona-Pandemie eine „extreme Verletzlichkeitserfahrung“ gewesen; Vertrauen brauche, sozialethisch gesehen, aber „akzeptierte Verletzlichkeit“. Gegenüber „völkischem Nationalismus“ – offensichtlich auch jenen eben an die Macht gewählten Rechtspopulisten, die vorgeben, nicht verletzbar und allezeit „stark“ zu sein (Anmerkung F.T.) – sollte die Kirche „als politischer Akteur Grenzen aufzeigen“ und menschenfreundliche, christliche Haltungen mutig vertreten, so Ladenburger, die auch Politikwissenschaft studiert hat. Gläubige Menschen verfügten hier über ein größeres Grundvertrauen (allerdings, so eine Publikumsstimme, hätten laut der Studie „Was glaubt Österreich?“ letztere auch eine größere Sehnsucht nach dem „starken Mann“).
Es braucht Nachsicht und Zuversicht
Mit dem ebenso aktiven wie – etwa in der Bewertung der Migrationsdebatte – kritischen Publikum einigten sich die Talkgäste angesichts solcher Paradoxien darauf, eine klare Kante gegen ausgrenzende, unbarmherzige oder verschwörungstheoretische politische Akteure zu zeigen, aber mit Respekt vor der Lebenswelt der „Anderen“ und mit menschlicher „Nachsicht“ (Frey) um den Fortbestand der Demokratie zu ringen. Die Chancen stehen hier übrigens gar nicht so schlecht: Auch wenn das Funktionieren der Demokratie heute vielfach in Zweifel gestellt wird, beantworten – wie der (bereits im Herbst 2024 vom Bildungsforum eingeladene) Grazer Historiker Heinz Wassermann aktuell nachweist – doch satte 88 % die (Um-)Frage, ob die Demokratie trotz aller Probleme die „beste Regierungsform“ ist, mit „Ja“. Kämpfen wir … und gestehen uns unsere Verletzlichkeit ein!
Florian Traussnig
In Kooperation mit der Katholischen Aktion.
Die Veranstaltung ist gefördert aus Mitteln der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB)
P.S. In Kürze kommt ein Podcast zum Thema mit O-Tönen von Eric Frey und Barbara Ladenburger raus. Stay tuned!